Meine Streetfotografie

Streetfotografie, was ist das überhaupt für ein Wort. Eingedeutscht. Denglisch. Sind wir doch mal ehrlich, es klingt irgendwie bescheuert. Allerdings hört sich Straßenfotografie auch einfach falsch an und ich stelle mir immer vor wie ich da stehe und die Straße fotografie. Oh, sieh mal, Asphalt, oh darüber, Kopfsteinpflaster. Naja, wäre auch mal ne Serie wert…

Bei mir hat alles irgendwie letztes Jahr angefangen. Ich war irgendwie angetan von Kais Streetbildern, das schwarz/weiß, Menschen, alltäglich und doch irgendwie besonders, wenn man den richtigen Moment festhält und aufmerksam ist. Ich bin schon immer eher der stille, beobachtende Fotograf gewesen und habe nicht gerne eingegriffen. Was allerdings auch damit zu tun hat, dass ich mir unsicher bin wie ich Leute dirigieren sollte, so ehrlich sollte ich sein. Nichts desto trotz, ich mag es im Hintergrund zu sein und echte Momente einzufangen, keine gestellten Szenen zu erarbeiten. Und genau diese Möglichkeit gibt die Streetfotografie. Sie lässt mich anders durch die Straßen und vielleicht sogar durchs Leben gehen. Sie lässt mich auf Details achten und sie lässt mich meine Umwelt mit oder ohne Kamera genauer wahrnehmen.

Nicht zu verachten ist der gewisse Kick bei der ganzen Sache. Irgendwie ist man immer kurz davor entdeckt zu werden. Was, wenn jemand merkt, dass ich ihn/sie fotografiere und was, wenn sie es nicht wollen, mich sogar darauf ansprechen, ich keine Ausrede habe, und und und. Mit der Zeit wird man mutiger und gewöhnt sich an eine gewisse Spannung und fängt an sie auch irgendwie zu mögen. Es macht ja auch einen gewissen Reiz aus.
Ich habe keine Angst „entdeckt“ zu werden, ich tue ja nichts verbotenes. Oder doch?
Nach deutschem Recht, soweit ich da informiert bin und ich erhebe hier keinerlei Anspruch auf Richtigkeit, ist das fotografieren erstmal noch gar nicht so wild (wenn auch vielleicht nicht 100% sauber), aber vor allem das Veröffentlichen der Fotos ohne Einverständnis ist verboten. Da gibt es auch wieder verschiedene Einzelfälle, je nach dem wie sehr jemand zu erkennen ist, etc.

Ich für mich habe entschieden, dass ich niemanden fragen werde ob ich ein Foto machen darf. Es würde einfach den Sinn der Streetfotografie zerstören. Dann wäre es eben genau das gestellte Foto, was ich zu vermeiden suche. Es gibt Projekte, die genau das machen, Leute ansprechen und ein Portrait machen. Dazu gehört viel Mut und es können tolle Bilder entstehen, aber das ist nicht das, wonach ich suche. Ich möchte das Leben einfangen, so wie es ist. Da gehört es auch dazu, dass Menschen mal nicht so vorteilhaft abgebildet werden. Wo wir schon beim nächsten Punkt wären. Man schlug mir vor, die Leute doch zu fragen ob ich das Foto veröffentlichen darf, nachdem ich das Bild gemacht habe. Dann habe ich aber da Problem, dass Leute verneinen würden, wenn sie sich auf dem Bild nicht so gut gefallen, obwohl es in meinen Augen vielleicht ein sehr gutes Foto ist. Ganz davon abgesehen, dass ich nicht die Zeit und Lust habe, Leute ständig anzusprechen und aufzuhalten. Momente sind flüchtig und der nächste Moment wartet auch nicht, bis ich mit einer Person ihr Bild diskutiert habe. Ich mache viele Fotos im vorbei gehen, ich sehe etwas, zücke schnell die Kamera, drücke ab und schon bin ich und auch die andere Person wieder weg.

Ich könnte mich jetzt natürlich zu Hause im stillen Kämmerlein alleine über meine Fotos freuen. Das würde niemanden stören, weil es ja keine Socke mitbekommt.
Aber das will und kann ich nicht. Ich muss Fotos zeigen, so ist es und so bleibt es. Und ich weiß doch, dass ihr sie auch sehen wollt.

Ich weiß nicht recht, wie ich reagieren würde, wenn ich mich auf einer anderen Seite entdecken würde, aber ich glaube ich würde es akzeptieren, weil ich die Beweggründe dahinter kenne. Vielleicht würde ich die Person anschreiben und sagen, hey, ich habe mich auf einem deiner Fotos entdeckt und hatte in dem Moment gar nicht gemerkt, dass jemand ein Foto von mir gemacht hat. Würde dann sicher auch erzählen, dass ich auf Streetfotos mache usw.

Klar ist, die Streetfotografie ist, besonders hier in Deutschland, schwierig. Leute reagieren viel sensibler als in anderen Ländern. Aber man muss sich darauf einstellen und Fotos machen, die möglich sind. Und wie wir alle wissen, können ja auch durch Einschränkung erst recht gute und kreative Fotos entstehen.

In Manhattan, New York, habe ich den Leuten die dicke 5D manchmal direkt ins Gesicht gehalten. Wirklich auffällig. Ich habe provoziert und ausprobiert wie weit ich gehen kann. Niemand hat mich angesprochen, das einzige was ich geerntet habe, waren ein paar böse Blicke. Wirklich perfekt finde ich das aber auch nicht.

So oder so. Jede Stadt, jedes Land verhält sich anders. Die Menschen verhalten sich anders und das ist gut so. Das ist spannend.

Mir ist also bewusst, dass ich mich auf dünnem Eis bewege, auf Messers Schneide stehe, auf dem heißen Vulkan tanze, mit dem Feuer spiele und was nicht noch alles. Aber es ist, was ich will, weil es echt ist.