Mein persönlicher Leica M9 Erfahrungsbericht

Vier Wochen habe ich – mit großem Dank an Leica – mit einer M9 samt einem 50er Summilux f/1.4 fotografiert. Schon seit langer Zeit schiele ich immer wieder auf diese Kamera und konnte sie nun endlich selbst über einen längeren Zeitraum ausprobieren. Dieser Erfahrungsbericht spiegelt meine persönlichen Erfahrungen wider und ist kein objektiver Test. Ich habe weder Ziegelsteinmauern noch Farbtestcharts fotografiert. Für mich war wichtiger die Leica M9 in meinem täglichen Fotografiealltag zu testen und mich und meine Gewohnheiten und Motive nicht für den Kameratest zu verändern. Ich wollte heraus finden ob die Kamera etwas für mich ist. Das habe ich getan und die Kurzversion dieses Berichts ist:
Ja, die Leica M9 ist eine oder sogar DIE Kamera für mich.

Hardware

Die Kamera ist hervorragend verarbeitet und fühlt sich wertig an. Da knackst nichts, da wackelt nichts, da muss man keine Angst haben irgendwas kaputt zu machen.
Die Belichtungszeit lässt sich direkt an der Kamera über ein Rad einstellen und auch die Blende kann am Objektiv manuell bestimmt werden. Das habe ich ja bereits bei der x100 sehr zu schätzen gelernt und möchte auch nicht mehr ohne Leben.
Die M9 hat einen Messsucher. Eine Technik[1. Im Sucher befindet sich in der Mitte ein etwas helleres Fenster, in dem man diesen Bildbereich doppelt sieht als wäre man betrunken. Bewegt man den Hebel am Objektiv so, dass sich die beiden Bilder perfekt übereinander schieben und man diesen Bereich scharf sieht, ist auf die Entfernung zum anvisierten Objekt scharf gestellt.], die früher gängig war, heute aber in modernen, digitalen Kameras eigentlich keine Verwendung mehr findet. Das ist aus meiner Sicht sehr schade. Mir hat das ausschliesslich manuelle fotografieren sehr viel Spaß gemacht und schon in der kurzen Zeit viel beigebracht. Dazu weiter unten mehr.

Die Form der Kamera ist nicht wahnsinnig ergonomisch, sieht aber ohne Frage gut aus und liegt für mich super in der Hand. Ich mag am liebsten die komplett schwarze M9, hatte als Testgerät aber eine silberne. Ich würde mir eine Handschlaufe anschaffen, wenn ich sie über längere Zeit besitzen würde. Ich mag keine Kameragurte und so ganz ohne die Kamera über lange Zeit in der Hand zu halten kann dann schon mal anstrengend werden. Ich hatte die Testzeit über den Kameragurt dran gelassen, damit ich sie mal über die Schulter hängen kann, beim Fotografieren den Gurt aber immer um das Handgelenkt gewickelt. Geht, ist aber nicht perfekt für mich.

Das Display ist wohl ist das schlechteste an der ganzen Kamera, macht aber nach kurzer Eingewöhnungsphase keine Probleme. Man weiß dann, dass die Bilder nicht so rauschen, wie sie angezeigt werden und tendenziell eher etwas heller sind als sie das Display anzeigt.
Auf der Rückseite gibt es außerdem ein Rad und ein paar Knöpfe, die simpel angeordnet sind, sich wunderbar bedienen lassen und beschriftet sind. Einfachheit, wie ich sie liebe.

Die Bildqualität der M9 und des 50er Summilux 1.4 Leica Objektives ist hervorragend. Knackscharf und besonders begeistert hat mich der große Dynamikumfang. Von den Spitzlichtern über die Mitteltöne bis hin zu den Schatten war ich von der noch vorhandenen Zeichnung besonders bei kontrastreichen Fotos beeindruckt.

Software

Die Software der M9 ist simpel und klar strukturiert. Keine “Kreativmodi” oder sonstige Spielereien. Genau so will ich das.
An Einstellungen wie ISO oder Ãœber-/Unterbelichtung kommt man während des Fotografierens ganz einfach per Knopfdruck. Eine ISO-Automatik gibt es übrigens auch.

Fotografieren mit der Leica M9

Mit einer M9 in der Hand macht man nicht plötzlich automatisch bessere Fotos. Ich würde sogar behaupten, dass man erst mal schlechtere macht, weil man des Autofokuses beraubt wird. Das Fokussieren dauert länger und der Fokuspunkt ist immer in der Mitte. Letzteres ist für mich keine Umstellung gewesen, da ich bei allen meinen Kameras nie den Fokuspunkt verschoben habe. Ich arbeite immer mit dem mittleren Punkt, stelle scharf und schwenke dann die Kamera. Bei der M9 ist man dazu gezwungen, mir kam das aber sehr gelegen.
Nach den ersten fünf Bildern dachte ich, es würde ewig dauern mit dem Messsucher annehmbar schnell zu werden. Die Lernkurve stieg dann aber sehr früh sehr stark an und ich war begeistert von der Präzision und Kontrolle die man plötzlich über den Schärfebereich hat. Schon nach kurzer Zeit kam mir alles fotografieren, was ich über die letzten Jahre machte, nur noch wie Knipsen vor.

Mir wurde durch den Messsucher erst so richtig bewusst wie wenig Kontrolle ich bei anderen Kameras oft hatte. Wenn man aber manuell fokussiert, liegt die volle Kontrolle und damit natürlich auch die Verantwortung bei mir. Das ging manchmal daneben, aber das geht es beim Autofokus auch. Und der wird nicht mit der Zeit besser oder schneller, ich aber schon.

Das Fokussieren von bewegten Objekten war dann der nächste Schritt und funktionierte auch besser als erwartet. Das Schöne ist, dass man den Fokus sehr schön mit der Bewegung des Objektes “mitziehen” kann, sobald man ein mal gelernt hat in welche Richtung man am Objektiv drehen muss um näher, bzw. weiter weg zu fokussieren. Auch lernt man mit der Zeit auf welcher groben Entfernung der Fokus liegt, je nach dem wo der Hebel des Fokusrings am Objektiv steht. Da war ich noch nicht so gut drin, aber ich bin sicher nach ein paar weiteren Wochen regelmäßigen Fotografierens hätte ich das sehr gut drin.
Fast schwieriger hingegen ist das Fokussieren während man sich selbst bewegt, weil man sich ständig auf und ab bewegt beim Laufen. Aber auch das lässt sich trainieren.

Ich mache den Großteil meiner Fotos im Querformat, aber hin und wieder muss ich die Kamera dann doch mal um 90° drehen und dabei fiel mir auf, dass das Fokussieren beim Halten der Kamera in Hochformat irgendwie schwieriger, bzw. nicht so angenehm ist. Vielleicht habe ich mich aber auch einfach doof angestellt.

Spannend ist, dass mir durch das manuelle Fokussieren erst nach Jahren des Fotografierens so richtig bewusst wurde, wie gering ein Schärfebereich bei Blende 1.4 oder 1.8 eigentlich ist. So bewegt sich ein auf mich zu laufender Mensch zum Beispiel sehr schnell wieder aus dem Fokus, wenn ich nicht schnell genug abdrücke – auch wenn ich den Autofokus an meiner 5D nutze. Diese Erkenntnis und das neu gewonnene Gefühl für Schärfentiefe hat mich ein gutes Stück vorwärts gebracht.

Beim Blick durch einen Messsucher sieht man nicht nur den Bereich, den die Kamera beim Auslösen aufnehmen wird, sondern auch noch was sich “neben dem Bild” tut, das kann von Zeit zu Zeit sehr praktisch sein, weil man zum Beispiel früh genug sieht, dass gleich ein Mann durchs Bild laufen wird und die Szenerie dadurch perfekt wird. Ich musste nur erstmal lernen was genau auf dem Foto sein wird und was nicht. Für verschiedene Brennweiten gibt es nämlich unterschiedliche Rahmen, die die Aufnahme begrenzen.
Außerdem wird der Sucher nicht kurz schwarz, wenn man den Auslöser drückt. Bei einer DSLR zum Beispiel schaut man direkt durch’s Objektiv und sieht für kurze Zeit nichts, wenn der Spiegel hochklappt. Diesen Effekt hat man bei einem Messsucher nicht und kann so immer alles im Blick behalten.

Ich habe also mit der Leica M9 nicht automatisch bessere Fotos gemacht und ich weiß auch nicht ob man den Fotos ansieht, dass sie mit einer M9 gemacht wurden. Aber klar ist, dass es ein anderes Erlebnis ist mit dieser Kamera zu fotografieren. Es ist nicht die Kamera an sich, sondern das Gefühl, das die Kamera mir gibt, das zu besseren Fotos führt.

Eine Leica M9 ist nur schwer zu rechtfertigen, wenn man nur auf die technischen Daten schaut. Wenn mir aber eine Kamera zu inhaltlich besseren Fotos verhilft, dann ist das alles was zählt. Klar, die Fotos einer M9 kann man fast alle technisch gesehen auch mit einer D3S oder einer 5D MKII machen. Die Frage ist nur ob man die Szene auch sieht und überhaupt erst bis zur technischen Seite der Fotografie kommt. Das trifft natürlich nicht auf alle Bereiche der Fotografie zu und viele von euch werden jetzt mit dem Kopf schütteln. Aber ich glaube das werden die Leute sein, die noch nie eine Messsucherkamera für längere Zeit in der Hand hatten oder sich in einem Genre bewegen, bei dem die Kamera auch einfach die falsche ist.

Die M9 ist ganz sicher keine Allzweckkamera und ganz sicher auch nicht für jeden Fotografen da draußen gemacht. Sie hat ihre ganz spezielle Zielgruppe. Sie ist eine relativ kleine und leichte Kamera mit einem Vollformatchip mit den möglicherweise besten Objektiven, die es derzeit gibt. Ein Sportfotograf braucht die Kamera nicht, ein Fashionfotograf wohl auch nicht, usw. Ein Dokumentar-, Reportage- oder Streetfotograf findet in ihr aber möglicherweise den pefekten, leisen und unauffälligen Begleiter, für den es nun mal nichts vergleichbares auf dem digitalen Fotomarkt gibt.

Eine Kamera muss zum Besitzer passen. Und die Leica M9 passt zu mir.

Der Testzeitraum hat mir also meine Frage beantwortet. Mein Lechzen nach dieser Kamera war gerechtfertigt. Das Einzige was ich mir wünschen würde, ist ein bisschen mehr ISO-Power.
Werde ich sie mir also kaufen? Nein. Warum? Weil ich nicht das nötige Kleingeld dafür übrig habe. Wenn ich einen Ausblick in die Zukunft wagen sollte, so glaube ich aber, dass ich irgendwann mal eine schwarze M9-P (oder dann vielleicht sogar schon M10) besitzen werde. Wie nah diese Zukunft liegt oder wie ich das Erreichen könnte, weiß ich noch nicht. Warten wir es ab.

Bis dahin lerne ich erstmal besser fotografieren.